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Monday, June 24, 2013

Unter Kamelreitern vor den Pyramiden ...


Travel Diary Nov/Dez. 2012

Kairo



Tipping!

Ich traf ihn vor den Pyramiden. Er wollte mir - wie so viele andere "Touristenjäger" eine Kameltour  anbieten. Und wieder wurde mir ein "Special Price" versprochen. Ich sei ja eine "beautiful woman" und da gib's nur Spezialpreise. Nachdem er zwei Sätze mit mir ausgetausch hatte, kam schon ein anderer Kamelreiter und bot mir ebenfalls eine Kameltour an. Einen "Special Price" versprach auch er. Und aus dem Augenwinkel sah ich schon das nächste Kamel antraben. Zu den Kamelen kamen nun auch noch eine Gruppe Kinder, die ein Foto mit mir haben wollten. Der erste Kamelreiter schoss die Fotos und sprach zu den Kids auf Ägyptisch. "Warum möchten die kids ein Foto mit mir?",  fragte ich ihn auf englisch. "Weil sie dich hübsch finden und sie diese Fotos ihren Freunden zu Hause zeigen möchten", antwortete er. "Aha.", meinte ich, verabschiedete mich von der Gruppe und war am Weitergehen. Ziel war die Sphynx.
" Weißt du, hier in Ägypten ist alles anders, als da, von wo du her kommst. Hier gibt es ganz eigene Regeln. Und seit den Unruhen bleiben die Touristen weg. Dadurch hat sich viel verändert", entgegnete er mir, " die Kids freuen sich einfach, ein Foto mit jemandem aus einer für sie anderen Welt zu haben und in ihrer Familie zu zeigen."

Mit Bob Marley vor den Pyramiden
"Komm - spring auf!"



Ich kam mit Emad ins Gespräch und wir liefen eine Weile mit dem Kamel nebeneinander her  in die Richtung der kleineren Pyramiden. Wir verstanden uns gut - er erzählte mir, wie schon sein Großvater hier an den Pyramiden mit Kamelen arbeitete und wie sich das Gebiet in den letzten Jahrzehnten veränderte. Sein Vater brachte ihm alles bei, was man hier - auf dem Platz der Pyramiden - zum Überleben benötigt. Und jetzt bringt er es seinen eigenen Kindern bei. Sein Sohn kommt in diesem Moment mit einem anderen Kamel angeritten. Er ist höchstens zehn. Beide sprechen auf ägyptisch. Emad stellt mich ihm vor - ich gehe zu seinem Kamel und strecke dem Jungen meine Hand zum Abschlag dem Himmel entgegen: "Hi buddy! How are you up there?". Er entgegnet mein "High 5" und antwortete lachend auf englisch: "I'm fine, thank you. How are you today, mam?". Akzentfrei. Ich bin baff und blicke zu Emad. "Wir wachsen hier multilingual auf. Ich kann mit dir auch deutsch, französisch, italienisch, polnisch, russisch oder arabisch sprechen. Mit chinesisch hapert's manchmal noch. Und arabisch kannst du nicht, oder?" "Ähm - Englisch ist schon ok", stammelte ich. "Meine nächste feste Touristengruppe kommt in 40 Minuten - komm, spring auf, ich zeige dir kurz das andere Ende des Pyramidenplatzes. Von dort hast du ein tolles Panorama auf alle Pyramiden." Ich zögerte. "Katie, ich sehe, du bist beunruhigt. Und ich wäre es an deiner Stelle auch auf Grund all der wilden Abzockgeschichten, die über diesen Platz kursieren. Ich will kein Geld von dir. Du kannst mir später Geld für das Futter des Kamels geben, aber ich zwinge dich zu nichts. Spring auf."

Der Platz der Pyramiden
Zwei Minuten später trabe ich auf dem Rücken von Kamel Bob Marley Richtung Sahara. Vorbei an jahrtausend alten Pyramiden. Vergangenheit trifft Moderne - und das "the hard way", wenn man die klimatisierten Busse auf den Straßen zwischen den Pyramiden betrachtet. Es entstehen die typischen "tipping-pics", einmal um die Sphinx, am Friedhof des anliegenden Dorfes vorbei (Emads Familie liegt dort begraben, wie er mir erzählte) und zurück zum Ausgangspunkt. Die Sonne steht hoch.
"Möchtest du einen Tee?", fragte mich Emad.
"Ja, gerne", sagte ich und wischte mir die Schweißperlen von der Stirn.
Während Emad Tee organisierte, drehte ich auf dem Kamel noch ein paar Runden auf dem Pyramidenplatz und beobachtete das Gewusel aus Tiertreibern, Touristen, Tourguides, Eseln, Bussen, Pferden, Kamelen, Souvenierverkäufern und Kindern.Wirrwarr. Auch in meinem Kopf.

Immer noch ohne Nase.


Emad winkte mir und ich trabte wieder zurück zu ihm und den anderen Kamelreitern. Bob Marley kniete auf den Steinboden und ich landete mit beiden Beinen wieder auf festem Boden. Nachdem Emad mich vorgestellt hatte, gesellte ich mich in den Kreis der Kamele und deren Reiter. Wir alle tranken schwarzen Tee - das Nationalgetränk in Ägypten, wie mir scheint.

Emad und Kamel Bob Marley.
Auf einen Tee unter Kamelreitern

"Siehst du das Ehepaar, das den Boardwalk zu den Pyramiden gerade entlangläuft?", fragte mich einer der Reiter. Ich folgte seinem Blick zu dem Weg, der vom Eingang des Pyramidenareals zu den Pyramiden führt und nickte. "Die werden jetzt erstmal in die Pyramide klettern und dann bieten wir denen die komplette Tour an. Die werden die Orientierungshilfe dankend annehmen, das kannst du mir glauben, Katie", meinte er. Ich beobachtete das Pärchen. Sie drehten ihren Reiseführer hin und her und blickten etwas ziellos durch die Gegend. Um die beiden herum nährten sich schon die Souvenirverkäufer; der erste Postkartenverkäufer versuchte schon sein Glück.

Eine Stunde zuvor wurde ich gescannt

Genau da lief auch ich noch vor etwa einer Stunde entlang - Wie sie mich gesehen haben? Was sie wohl über mich gesagt haben? Ich werde es nie erfahren.
Aber ich hatte die Möglichkeit, auf der anderen Seite zu sitzen und mit ihnen gemeinsam Tee zu trinken. Ich konnte mit den Menschen, die mir zuvor aufdringlich gläserne Pyramiden, Postkarten oder Kamelritte und Pyramidentouren angeboten haben, jetzt im Halbkreis vor der ältesten und größten Pyramide, der Cheops-Pyramide, sitzen. Als Folge der Medienberichterstattung und der Ereignisse auf dem Tahrir Platz bleiben Touristen aus. Es kommen meist nur Gruppen aus den All-inklusiv-Hotels, die meist schon ihren Guide dabei haben und keinen weiteren Guide vor Ort benötigen. Und bei so wenigen Individual-Reisenden ist der Konkurrenzkampf groß. Zudem bieten internationale Hotelketten Quad-Touren über das Pyramidengelände an. Pferd und Kamel wird also durch vierrädriges Motorrad ersetzt, mit dem man dann durch das anliegende Dorf rast. Dieser Fahrschlenker gehört zum Programm, damit die Touristen sehen, "wie dort gelebt wird". Mich erinnert das an den favela-Tourismus in Rio de Janeiro, als die Männer mir davon erzählten.

"Ich finde das schrecklich", meinte ich in die Runde.
"Wir auch, Katie. Glaube uns, wir auch...", sagte Emad und griff nach seinem Handy, das er unter seinem langen Gewand versteckt trug. Es war ein Tourguide, der Emad hin und wieder anrief, wenn dessen Gäste die Pyramiden bestaunen wollten. Dieses Mal wollten die Gäste ein "echtes" Kamel streicheln.

"Ciao amigo", meinte ich zu Emads Junior, nahm ihn in den Arm und gab ihn einen kleinen Zettel mit einer persönlichen Zeilen:  "Today's impossibilities are Tomorrow's miracles! - all the best for you!"
 "Ciao, amiga", entgegnete dieser und schenkte mir ein breites Lächeln.

Ich verabschiedete mich von Emad und seinen Kollegen und bedankte mich für die Gastfreundschaft und die tollen, offenen Gespräche. "Du bist jederzeit wieder hier willkommen", sagten sie mir und nannten mich "Schwester".

Ich machte mich auf Richtung Ausgang. Ich sah die Touristen mir auf dem Boardwalk entgegenkommen. Und ich blickte zurück. Bob Marley war umringt von kurzhosigen Menschen in Sandalen und mit Kamera um den Hals. Emad winkte mir zu. Ich winkte ebenfalls und machte mich weiter auf Richtung Ausgang.

Und ich lief neben dem Boardwalk. Dort wo Touristen nicht laufen möchten, weil der Boden sandig und staubig ist. Aber ich lief dort, wo ich Menschen kennengelernt habe, die mir eine unglaublich große Gastfreundschaft zeigten.


Gewusel auf dem Platz


Der Pyramidenplatz ist vom Nachbardorf abgezäunt.



Ich habe Emad noch ein weiteres Mal and den Pyramiden zu einem Tee getroffen. Schon von Weitem hatte er mich erkannt und kam mir auf dem Kamel entgegen. 
Solltet ihr auch zu den Pyramiden fahren, haltet Ausschau nach Emad - oder fragt vor der Cheops-Pyramide einen anderen Kamelreiter. Emads Familie ist dort seit Generationen. Grüßt ihn lieb von mir, von Katie aus Germany, die im November/Dezember 2012 dort war.

 Danke.


#PyramidenvonGizeh #unterKamelreiternunterwegs #Augenauf #AbenteuerinKairo #auchmaletwaswagen
















2 comments:

  1. Wow, da war ich noch nie- möcht ich auch unbedingt mal hin:)

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    1. Ja, es ist unblaublich schön dort - und eindrucksvoll! Ich saß dort einfach eine Stunde und habe das Treiben beobachtet... Unbedingt mal hingehen :)

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